Dieser Artikel ist am 30.04.2020 im Starnberger Merkur erschienen
Starnberg – Das Trainingslager in den Osterferien fiel komplett aus. Statt in ihr trautes Vereinsheim an der Starnberger Seepromenade verzogen sich die Ruderer des Münchener Ruder- und Seglervereins in die Weiten des Internets. Jeden Mittwochabend ab 19.15 Uhr heißt es zunächst Ziehen am Ergometer und danach Gymnastik mit Übungsleiter Thomas Thallmair. Es ist ein echter Geheimtipp: „Die Leute, die Homeoffice machen, freuen sich richtig darauf“, sagt Claudia Haszmann.
Die Vorsitzende Rudern des MRSV hat sich dafür stark gemacht, eine Lizenz für ein Videokonferenz-Portal zu beantragen. Mit ihrer Hilfe können die „Bayern“ selbst in den Tagen des Lockouts einem heiß begehrten Gruppenerlebnis frönen. Jedes Clubmitglied sitzt zwar in den eigenen vier Wänden auf dem Ergometer, kann sich aber über eine Videokonferenz mit seinen Kollegen verabreden. „Wir machen das auch, um den Zusammenhalt im Verein zu erhalten“, erklärt Haszmann, „das ist super, man ist dann nicht so allein.“
Schon auf einem iPad lassen sich bis zu neun Personen beobachten, wie sie sich auf ihrem Ergometer abplagen. Einen größeren Überblick hat Thomas Thallmair, der seinen Fernseher als Bildschirm benutzt und so die Übungen genau überwacht. „Man kriegt schon deutlich gesagt, was man gut macht und was nicht“, sagt Haszmann. Allerdings ist es den Trainingsteilnehmern auch möglich, sich selbst aus der Übertragung zu schalten.
Eine Dreiviertelstunde triezt Thallmair seine Schüler mit anspruchsvollem Intervalltraining. Nach einer Minute Fahren mit hoher Schlagfrequenz folgt eine Phase von vier Minuten, in der die Athleten den Puls wieder herunterfahren können. Dann folgt der nächste Kraftakt mit der daran anschließenden Erholung. Die zweiten 45 Minuten füllt der Coach mit gymnastischen Übungen. Für die „Bayern“ bedeutet dies nichts Neues. Im Winter spult Thallmair mit ihnen im Fitnessraum des MRSV dasselbe Programm ab. Neu sind hingegen die Internet-Termine für den Nachwuchs. Die Kinder vereinbaren mit ihren Trainern zwei Termine in der Woche, die Jugendlichen vier. Neben Gruppentraining im Internet gibt es auch persönliche Trainerstunden. In den Ferien ging es schon um 9 Uhr los.
Haszmann stellt klar, dass ihr Verein für den Ernstfall probt: „Wir trainieren so, dass wir mit unseren Leuten in zwei, drei Wochen auf Rennvorbereitung umschalten könnten.“ Trotz aller Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie hat die Vorsitzende die Saison nicht völlig abgehakt. Zwar rechnet sie nicht damit, dass in diesem Sommer noch Meisterschaften ausgetragen werden („Ich glaube, das Jahr können wir uns schenken“), doch möglicherweise gibt es schon eine Lockerung, wenn Ende September der traditionelle Roseninsel-Achter auf dem Starnberger See stattfindet. Um eventuell bei ihrer eigenen Regatta voll im Saft zu stehen, vermeiden die „Bayern“ jedoch, in Grenzbereiche vorzustoßen. Alle Ergometer-Wettkämpfe im Internet sind vorerst ausgesetzt. Für die Ruderchefin geht es darum, in diesem Frühjahr mit Maß zu trainieren: „Wir wollen unsere Leute nicht zu Höchstleistungen treiben.“ Zu hohe Belastungen könnten sich als kontraproduktiv erweisen, weil sie den Körper zu sehr schwächen. Was angesichts von Covid-19 recht ungesund werden könnte.
Christian Heinrich
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